Job trotz Lernschwäche: So schaffte es ein 20-Jähriger in Nordwestmecklenburg
Was Inklusion wirklich bedeutet, davon berichtet Elektromeister Norbert Schönfeldt aus Klein Woltersdorf (Nordwestmecklenburg). Er hat Maxi Kremer eingestellt. Der 20-Jährige hat eine Lernbehinderung – und jetzt einen festen Job in der Elektrofirma.
Klein Woltersdorf
Es ist alles ein bisschen viel an diesem Vormittag für Maximilian Kremer, den alle nur Maxi nennen und der auf seine Hände starrt, die er vor dem Bauch nervös bewegt. Ein halbes Dutzend Männer und Frauen sitzen in dem kleinen Büro der Firma Elektro Schönfeldt in Klein Woltersdorf zwischen Wismar und Gressow.
Sie sind hier, weil Maxi, 20 Jahre alt aus Barnekow, seit Juni einen festen Job in der Elektrofirma hat. Als Helfer ist er angestellt. Das ist insofern etwas besonderes, weil der junge Mann weder einen Schul- noch einen Berufsabschluss hat. Der 20-Jährige ist lernbehindert, hat in Wismar die Förderschule besucht und ist anschließend in einem Programm gelandet, das dafür sorgt, dass Menschen mit Handicap auf dem ersten Arbeitsmarkt landen.
Zuerst hat er gelernt, Kartons zu sortieren
Und deshalb haben sich an diesem Tag eine Menge Menschen im Büro von Norbert Schönfeldt versammelt, Vertreter der Arbeitsagentur, des Integrationsamtes und der DAA (Deutsche Angestellten Akademie) aus Grevesmühlen. Sie alle haben sich in den vergangenen zwei Jahren um die Zukunft des jungen Mannes bemüht. Und weil es eine kleine Erfolgsgeschichte geworden ist, ist auch die Zeitung dabei. Wie gesagt, alles ein bisschen viel für Maxi Kremer, der auf Fragen an ihn nur sehr einsilbig antwortet. Deshalb übernimmt der Chef das Reden.
„Wenn zu viele Leute um ihn herum sind, dann wird es schwierig, das muss man wissen und beachten“, sagt Norbert Schönfeldt. Als vor knapp zwei Jahren Marita Lüskow von der DAA in Grevesmühlen bei ihm anklingelte und fragte, ob einen jungen Mann ein Praktikum ermöglichen könnte, zögerte der 61-Jährige. „Ich dachte, dass solche Leute eher bei großen Firmen wie Schottel im Lager eine Chance hätten.“
Die Elektrofirma, mit dem Chef sind es sieben Leute, sei da eher weniger geeignet. Und trotzdem gab es Maxi Kremer, der aus Barnekow, dem Nachbardorf stammt, eine Chance. „Wir haben ihm erst einmal erklärt, was bei uns in welchen Kartons ist und wo die hingehören.“
Im Lager konnte der 20-Jährige zeigen, ob er überhaupt in der Lage ist, Teil des Teams zu werden. Ohne Schulabschluss und mit einer Lernschwäche als Handicap ist es nicht einfach, die komplexen Bauteile, die im Lager eine Elektrofirma liegen, auseinander zu halten. „Aber er hat sich gut angestellt“, sagt Norbert Schönfeldt. Reibungslos allerdings lief es nicht immer.
Vor Freude aus dem Anzug gesprungen ist keiner der Kollegen
Die Mitarbeiter in der kleinen Firma hätten sich zwar nicht gewehrt gegen den jungen Mann, der aufgrund seines Handicaps deutlich mehr Erklärungen braucht. „Aber vor Freude aus dem Anzug gesprungen ist natürlich auch keiner, eigentlich haben sie gar nichts gesagt, als Maxi zu uns kam“, erinnert sich der Chef, der seine Firma am 1. Oktober 1990 gegründet hat.
Aber einen Versuch war es wert. Auch weil Mitarbeiter gerade im Handwerk nicht unbedingt Schlange stehen. Rund 20 Lehrlinge haben Norbert und Marlies Schönfeldt, die die Fäden im Büro zusammenhält, in den 30 Jahren ausgebildet. Nur ein Teil davon packt heute jeden Morgen die Werkzeugtasche in den Transporter. Gerade für Elektriker gibt es zahlreiche Möglichkeiten, als Hausmeister oder in anderen Branchen leichter Geld zu verdienen. Inzwischen hat Maxi Kremereinen Paten in der Firma, einen Gesellen, der ihn an die Hand und sich die Zeit nimmt, ihm die Dinge notfalls auch dreimal zu erklären.
Integrationsamt hilft beim Führerschein und beim Dienstwagen
Apropos Geld, es ist kein Geheimnis, dass die Festanstellung von Maxi Kremer auch mit finanzieller Förderung verbunden ist. Die Arbeitsagentur hat in den vergangenen Jahren die Einarbeitung unterstützt, die DAA zwei Jahre lang das Projekt begleitet, inzwischen hat das Integrationsamt den Fall übernommen.
So wird der 20-Jährige nicht nur in bei der Festanstellung unterstützt, auch in Sachen Führerschein ist die Behörde mit im Boot. Denn Maxi Kremer braucht zwangsläufig mehr Zeit, um vor allem die Theorie zu wuppen. Allerdings hat er auch ein Ziel: Denn wenn er den Führerschein endlich hat, würde das Integrationsamt beim Kauf eines Dienstwagens für ihn, mit dem er dann Material zu den Baustellen fahren könnte, ebenfalls unterstützen.
„Das klingt nach ziemlich viel Aufwand“, sagt Zohreh Fechner-Landji vom Landesamt für Gesundheit und Soziales, die den Fall betreut. „Aber die Alternative wäre, dass er in einer Werkstatt für Behinderte sein Leben lang Hilfe beziehen müsste. Da ist jede Unterstützung für diesen Fall mehr als gerechtfertigt.“
Von Michael Prochnow